Verpackung einfach weglassen und alles wird gut. Dass dieser romantische Ansatz leider nur in Einzelfällen Wirklichkeit werden kann, haben wir in diesem Blog schon öfter thematisiert: Stichwort Warenschutz, Stichwort Hygiene, Stichwort Verderblichkeit. Was hingegen immer wieder großartig funktioniert, ist, ökologische bedenkliche Verpackungsmaterialien durch unbedenkliche zu ersetzen. Und auch statt fossilen Ausgangsstoffen nachwachsende Rohstoffe zu verwenden. Remove und Renew heißen die entsprechenden Schritte in der 10-R-Strategie von PACOON.
Unternehmen wollen freilich nicht nur sicher sein, dass sie mit Renew und Remove wirklich zu einer nachhaltigen Verpackungswirtschaft beitragen. Sie wollen auch wissen, ob und wie sich ein solcher Umstieg rechnet.
Die allgemeine Antwort, die Ökonomen auf derartige Fragen geben, lautet üblicherweise: Das kommt darauf an. Was allerdings wenig hilfreich ist. Konkrete Beispiele sind da schon besser. Etwa dieses, das inzwischen fast schon ein Klassiker geworden ist: bei Verpackungen, für die es, zum Beispiel aus Sicherheitsgründen, unverzichtbar ist, auf Kunststoffe zurückzugreifen, lässt sich deren Einsatz durch intelligente Bauweise dennoch massiv reduzieren. Die Innenummantelung wird dann zwar noch immer aus Kunststoff gefertigt, für Stabilität der Verpackung sorgt aber Karton. Die Bilanz: Bis zu 40% des Plastiks können so vermieden oder eben durch eine verträglichere Variante ersetzt werden. „Entscheidend ist natürlich immer die Frage, wie sich diese Materialien am Ende im Kreislauf führen lassen. Häufig herrscht der Irrglaube, dass eine Folie auf Fasermaterial schon das Papierrecycling verhindern würde. Dem ist nicht unbedingt so. Meist ist diese Variante auch durch das Fasermaterial teurer als die Kunststoffvariante. In vielen Ländern gibt es aber keine Kunststoffsammlung für Verpackungen. Für Produkte ohne Restanhaftung kann das zumindest ein Teilschritt Richtung Circular Economy sein”, sagt PACOON-Geschäftsführer Peter Désilets.
Dazu kommt: Das Image des Produkts steigt in den meisten Fällen durch die Verwendung einer weitgehend kunststofffreien Variante. „Kartonverpackungen werden in der Mehrzahl der Produktkategorien als qualitativ hochwertiger und nachhaltiger wahrgenommen als Verpackungen aus Kunststoff“, sagt Alexander Haas, Professor für Marketing und Verkaufsmanagement an der Justus-Liebig-Universität Gießen, der eine umfangreiche Studie zum Thema durchgeführt hat. Jedoch sollte man vorsichtig sein, solche hybride Packungen pauschal als Papierverpackungen zu deklarieren, wie es bei Packungen im Ausland gern großspurig verkündet wird. In Zukunft drohen für Greenwashing- oder unbelegte Nachhaltigkeits-Auslobungen auf EU-Ebene empfindliche Strafzahlungen.
Massive Einsparungen
Eine direkte Umrechnung von Remove- und Renew-Strategien auf die Produktkosten ist freilich alles andere als trivial. Wieder am Beispiel Kunststoff demonstriert: Einerseits ist Kunststoff in der Herstellung zwar teuer, andererseits kommt man aber vielfach mit relativ leichten Gebinden oder Folien aus, was den Preis wieder attraktiv macht. Karton ist hingegen schwerer, hat aber den Vorteil, dass er nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis sehr gut wiederverwendbar und recyclierbar ist. Zudem sind die Ausgangsstoffe für seine Herstellung nicht wie heute bei den meisten Kunststoffen fossiler Natur, sondern erneuerbar. „Im Endeffekt muss man das komplette Konzept durchgehend betrachten und nicht nur den reinen Materialtausch. Das ist natürlich sehr aufwändig. Eines unserer Beispiele zeigt sinnbildhaft, dass das neue Material teurer sein kann, unter Gegenrechnen von Entsorgungskosten, reduziertem Materialaufwand für die Umverpackung, Space-Efficiency, Entsorgungskosten und Transport und Logistik ergäbe sich aber eine deutliche Einsparung. Wovon ich spreche? Von unserem Alternativkonzept für Chipstüten”, erklärt Peter Désilets die Komplexität von ROI-Berechnungen.
Auf längere Sicht betrachtet, bietet das einen unschätzbaren ökonomischen Vorteil. Denn die Bestrebungen in der Europäischen Union gehen ganz eindeutig in die Richtung, fossile Verpackungen und Einweglösungen zu verbieten oder zumindest zu verteuern, nachwachsende und mehrfach verwendbare Verpackungen hingegen zu fördern.
Verpackungsdesign neu zu denken macht aber auch aus einem anderen Grund Sinn. Denn mit Redesign lässt sich oft auch die Wiederverwertungsquote erhöhen: „Wir können von den getrennt gesammelten Verpackungen heute nur fünfzig Prozent recyceln“, sagt Kerstin Kuchta, Professorin für Abfallwirtschaft an der Technischen Universität Hamburg. Verpackungen, die dem Remove und Renew-Gedanken folgend neu gestaltet werden, können auch hier eine Abhilfe und wesentlich bessere Quoten schaffen. Die Qual der Materialwahl beschreibt Désilets so: „Wir schauen uns bei der Konzeption immer die unterschiedlichen End-of-Life-Szenarien an, die für unsere Kunden sinnvoll sind. Dabei bieten wir regelmäßig mehr Optionen an, als der Kunde selbst in Erwägung gezogen hat. Hin und wieder müssen wir auch Träume platzen lassen, weil die falschen Annahmen getroffen wurden oder auch. Wichtig ist jedoch, die bestmögliche Lösung zu erzielen, die in aller Regel keine 100%-Lösung sein wird. Die gibt es auch unserer Sicht nicht. Dafür ist auch jede Herausforderung zu individuell.”
B2B-Sektor in Bewegung
Nicht zuletzt deshalb entstand in der letzten Zeit eine ganze Reihe von neuen Ideen, wie Kunststoff durch nachwachsende Verpackungen ersetzt werden kann. Das beginnt bei den inzwischen in vielen Bereichen eingesetzten Folien aus Maisstärke, geht aber noch viel weiter. In den USA wurde unlängst zum Beispiel ein Spray vorgestellt, das auf Obst und Gemüse aufgetragen, dessen Halt- und Transportfähigkeit signifikant verbessert. Der Clou dabei: Der Spray ist selbst aus Gemüse und Obst beziehungsweise deren Abfällen hergestellt.
Auch im B2B-Bereich nehmen Bemühungen, auf Verpackungen aus fossilem Material zu verzichten, an Fahrt auf. In der Autozulieferindustrie ist Karton stark im Kommen, vielfach auch als Teil von ausgeklügelten Wiederverwendungssystemen. Die Industrie würde auch gern mehr Kunststoffe aus Recyclat verwenden, doch nicht immer ist ausreichend entsprechendes Material da. Die hohe Nachfrage macht recyclierte Folien auch verhältnismäßig kostspielig. In einem größeren Zusammenhang gedacht, ist das allerdings nicht zwingend ein Nachteil. Denn der Mangel könnte der Suche nach ökonomisch tragbaren, nicht-fossilen Alternativen einen zusätzlichen Schub verpassen. „Inzwischen hat sich die Haltung aus den späten 2010er Jahren auch gewandelt. Früher bekamen wir Anfragen nach nachhaltigen Alternativen, die nicht teurer als derzeitig verwendete Kunststoffverpackungen sein sollten. Inzwischen ist die Einschränkung „nicht deutlich teurer“. Die Energiekrise und gestiegene Preise haben per se deutlich teurere Kosten nach sich gezogen. Aber auch der große Drang zu recyceltem PET hat seine Spuren hinterlassen. Noch vor ein paar Jahren haben wir davor gewarnt, dass bei dieser hohen Nachfrage, die wir damals schon verspürt haben, die Preise unweigerlich steigen werden”, erzählt Désilets über die veränderten Kundenanforderungen.
Das einst billige Polyester ist heute übrigens doppelt so teuer wie PP oder PE. rPET dann nochmals ca. 20% teurer, obwohl es vor ein paar Jahren aber billiger als Virgin PET war. Mit den neuen nachwachsenden Lösungen werden aber auch größere Produktionsmengen realisiert, die wiederum über Skaleneffekte eine Verbilligung mit sich bringen. Der Markt ist also deutlich in Bewegung. „Nur bei biobasierten Kunststoffen beobachten wir eher einen Parallelschritt mit den fossilen Kunststoffpreisen. Diese ,Biokunststoffe’ sind aber weniger preisgetrieben, sondern eher ideologisch motiviert”, so Désilets.
Die Ziele der Klimaneutralität spielen natürlich auch den Renewables in die Hände, weil die häufig mit geringeren CO2-Werten aufwarten als die Kunststoff-basierten Verpackungen. Bei einem CO2-Preis von 100€ pro Tonne wird dieser Aspekt auch immer wichtiger in die Kalkulationen und das Markenimage mit einbezogen.